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Abgehoben, hierarchisch, undemokratisch: Die Rede ist nicht vom Vatikan, sondern von der Kür des neuen Rektors der Uni Salzburg. Denn das ab 2019 amtierende Rektorat wird nicht gewählt, sondern gekürt. Kleine Zirkel entscheiden, während Studierende und Bedienstete Zaungäste bleiben. Höchste Zeit, das zu ändern und die Uni mit Demokratie zu durchfluten, schreibt Kay-Michael Dankl.

 

“Studierende unerwünscht!”, so schallt es den 17.000 Studierenden der Uni Salzburg am 9. November in einer Email des Unirats entgegen. Der Hintergrund: Im Frühjahr endet die 18-jährige Amtszeit von Rektor Heinrich Schmidinger. Nun gilt es eine/n NachfolgerIn zu finden. Der erste Eklat: Beim zweitägigen Hearing mit neun geladenen KandidatInnen am 19. und 20. November wurden die Studierenden pauschal ausgeschlossen. Denn in der Großen Aula hätten nur 500-600 Menschen Platz. Das sei zu wenig. Daher müssten zuerst die Studierenden weichen, während Uni-Bedienstete in ihrer Arbeitszeit teilnehmen können. Nebenbei wurde den Studierenden abgesprochen, ein legitimes Interesse an Mitbestimmung bei der Rektors-Nachfolge zu haben. Dieser Ausschluss war eine Ohrfeige für alle Studierenden.

 

„Der Uniratsvorsitzende verlor die Contenance: Er drohte dem ÖH-Vorsitzenden.“

 

Dementsprechend stark war der Rückhalt, als die ÖH Salzburg diesen Missstand öffentlich anprangerte. Die ÖH forderte, dass neben den zugelassenen ÖH-Mitarbeiter*innen auch alle Studierenden eine Chance haben, gehört zu werden. Technisch wäre das leicht lösbar – mit einem ausreichend großen Raum oder Platzvergabe nach Anmeldezeitraum. Als die ÖH mit Plakaten dazu aufrief, an den Hearings teilzunehmen, verlor der Uniratsvorsitzende die Contenance: Er drohte dem ÖH-Vorsitzenden Felix Klein schrifltich, er würde für die Hearings zusätzliche Securities anheuern, um die Studierenden zu kontrollieren und draußen zu halten, und ihm die Kosten – privat – in Rechnung stellen.

 

Unirat an Studis: hackeln statt mitreden

Ironischerweise suchte der Unirat wenig später tatsächlich Studierende für die Hearings – aber nur um für 10 Euro die Stunde Mikrophone durch den Raum zu tragen … Eine Last-Minute-Aktion, Studierende über eine Anmeldung bei der ÖH doch teilnehmen zu lassen, verhallte im Echo der empörenden Email und im Trubel. Ironisches Detail: Die Hearings waren letztlich so schwach besucht, dass jeder zweite Platz leer blieb. Statt der erwarteten 500-600 TeilnehmerInnen erschienen nur rund 260.

 

Is this what democracy looks like?

Der Ausschluss der Studierenden entspricht der Geist, der seit 2002 durch die Unis weht. Damals wurde das Modell der demokratischen Universität zerschlagen, das in den 1970er die verkrustete und autoritäre “Ordinarien-Universität” ablöste. An die Stelle allmächtiger, alter Professoren traten unter Wissenschaftsministerin Hertha Firnberg in den 1970ern Kollegialorgane, das heißt Arbeitsgruppen und Gremien, in denen Studierende, akademischer Mittelbau und ProfessorInnen auf Augenhöhe Entscheidungen trafen. Es galt die Drittelparität: Jede Personengruppe hatte ein Drittel der Stimmen inne. Dreißig Jahre später war die Uni-Demokratie der ersten Schwarz-Blauen Bundesregierung ein Dorn im Auge – und fiel einem Kahlschlag zum Opfer. ÖVP und FPÖ entmachteten die demokratischen Gremien, verbanden neoliberale Management-Strukturen mit konservativen Hierarchien, legten den Unis ein Gängelband um und installierten “Uniräte” als Aufsichtsorgane mit enormer Machtfülle.

 

„ÖVP und FPÖ entmachteten die demokratischen Gremien.“

 

Seitdem werden die Rektoren (die erste Rektorin an einer österreichischen Uni, Ingela Brunner, trat erst 2007 (!) ihr Amt an der Uni für Bodenkultur an) nicht mehr gewählt. Bis 2002 erstellte der Senat als oberstes gewähltes Organ die Ausschreibung, sichtete die Bewerbungen und legte einen Dreiervorschlag mit den drei bestgeeigneten Personen vor. Im Senat waren die Studierenden, der akademische Mittelbau und die Profs mit je einem Drittel vertreten. Aus dem Dreiervorschlag wählte die sogenannte “Universitätsversammlung” – ein bis zu 600 Mitglieder großes, paritätisch zusammengesetztes Organ den Rektor. Diese Hochzeit der uni-internen Mitbestimmungen zerbrach an den Schwarz-Blauen Reformen.

 

Die autoritäre Wende an den Unis

Seit 2002 kann die Rektors-Kür nicht mehr als demokratische Wahl gelten. Das hat zwei Gründe. Erstens konzentriert der Unirat viel Macht in seinen Händen – auf Kosten des zumindest halbwegs demokratischen Senats. Der Unirat setzt sich an der Uni Salzburg aus sieben Mitgliedern zusammen. Drei werden von der Bundesregierung nominiert. Drei weitere vom Senat ausgewählt. Ein siebtes Mitglied wird von den sechs hinzugezogen. Damit ist der Unirat kein demokratisch gewähltes Organ, das von den Uni-Angehörigen legitimiert wird. An anderen Unis gehören sogar rechtsextreme, völkische Burschenschafter den Uniräten an. Bei der Rektorswahl bildet der/die Uniratsvorsitzende zusammen mit dem/der Senatsvorsitzenden die Findungskommission. Diese ist für die Ausschreibung zuständig und erstellt einen Dreiervorschlag. Das war einst die Kompetenz des Senats. Der Senat muss sich dann am Dreiervorschlag orientieren und seinen eigenen Dreiervorschlag an den Unirat übermitteln. Wie einst die Kurfürsten im Heiligen Römischen Reich den Kaiser auswählten, so entscheidet der Unirat, wer von den drei BewerberInnen RektorIn wird.

 

„Seit 2002 kann die Rektors-Kür nicht mehr als demokratische Wahl gelten.“

 

Zweitens hat auch der Senat mit dem Universitätsgesetz 2002 an demokratischer Qualität eingebüßt. Repräsentierte er einst die Studierenden, den akademischen Mittelbau und die ProfessorInnen drittelparitätisch, leidet er heute unter einer krassen Schieflage: Denn heute haben 140 Profs der Uni Salzburg 13 von 26 Sitzen (50%), die 800 Mittelbau-Angehörigen nur 6, die Studierenden ebenfalls nur 6, und das allgemeine Personal nur 1. Das Verhältnis zwischen Uni-Angehörigen und Stimmen im Senat beträgt bei den Profs 1:11, beim Mittelbau 1:150, bei den Studierenden 1:2.833, beim allgemeinen Personal 1:700. Das Pikante: Die typisch österreichische und deutsche Unterscheidung zwischen den wenigen privilegierten Profs einerseits und dem breiten akademischen Mittelbau (Assistenzprofs, außerordentliche Profs, Senior Scientists, Senior Lectureres, UniversitätsasstentInnen, ProjektmitarbeiterInnen, u.a.) ist sachlich kaum begründbar. Es ist ein Relikt der verkrusteten (und ewiggestrigen) Ordinarien-Universität der 1960er. So wichtig der Senat als Ort der Meinungsbildung und Entscheidungen ist: Erst bei einer gerechten Sitzverteilung kann der Senat als demokratisch gelten.

 

There Is No An Alternative

Die Unis waren schon mal demokratischer. Und sie können es wieder werden – mehr als je zuvor. Warum sollte der Rektor oder die Rektorin nicht von allen Uni-Angehörigen in einer Ur-Wahl gewählt werden? Die Stimmen können gewichtet werden, um einer Übermacht der Studierenden abzumildern, z.B. mit 60% für die Lehrenden, 30% für die Studierenden und 10% für das nicht-wissenschaftliche Personal. Dann würden Studierende sich in der Mensa fragen: “Weißt du schon, wen du wählst?”, es gäbe breite Debatten wohin die Universität sich entwickeln sollte, und ein Aufflammen des Interesses, den Lebensbereich Hochschule mitzugestalten.

 

„Die Unis waren schon mal demokratischer. Und sie können es wieder werden.“

 

Am Beginn jeder Veränderung steht der Schrei: “Nein!” zu einem undemokratischen System, das bei der Zuweisung von Stellen und Macht tausende von der Mitsprache ausschließt. Es braucht eine Analyse und Kritik, wie die Unis heute organisiert sind, und die Fantasie, Alternativen zu entwerfen. Bis die nötigen Gesetzesänderungen das Parlament passieren, um den Weg zu einer demokratischen Rektors-Wahl zu bahnen, sind noch viele Schritte notwendig. Wir stehen erst am Beginn einer Bewegung, die wir dem Schatten antidemokratischer und markthöriger Entwicklungen zum Trotz vorantreiben können. Es liegt an uns allen, ob wir die gegenwärtige Rektors-Kür an der Uni Salzburg als Chance nutzen, um zu hinterfragen, zu diskutieren und auf Alternativen hinzuarbeiten.

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