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PostcARTs from Salzburg

© Manuela Seethaler

Wie Salzburger Studentinnen eine neue Perspektive auf Salzburg abseits ausgetrampelter Touripfade vermitteln und dabei KünstlerInnen eine Plattform bieten.

Von Christoph Mödlhamer


Die erhabene Festung, der barocke Residenzbrunnen am Residenzplatz vor dem Dom, umrahmt von allerlei Prunkbauten, die namensgebende Statue am Mozartplatz, die geschäftige Getreidegasse mit ihren schmiedeeisernen Zunftschildern – all das sind in Salzburg omnipräsente Postkartenmotive. An jeder Ecke fallen sie einem ins Auge. TouristInnen scharen sich um die drehbaren Ständer, schreiben Grüße an die Daheimgebliebenen, kleben Briefmarken auf und ab damit in den nächsten gelben Postkasten. Soweit noch nichts Ungewöhnliches daran.

Postkarten? Gibt’s die überhaupt noch?

Zugegeben, in Zeiten von Smartphones, mit denen binnen Sekunden die schönsten Eindrücke festgehalten und Internet sei Dank sofort vor Ort in alle Welt versandt werden können, mögen Postkarten etwas antiquiert wirken. Aber wer freut sich nicht, wenn nach Heimkehr der Reisenden, Tage oder gar Wochen später, eine Ansichtskarte in den eigenen Briefkasten flattert? Eben. Das dachten sich auch vier Salzburger Studentinnen unterschiedlichster Studienrichtungen, als sie im Rahmen einer Lehrveranstaltung des Studienschwerpunktes „Wissenschaft und Kunst“ am Kunstquartier das Projekt „PostcARTs from Salzburg“ ins Leben riefen. Bei PostcARTs steht aber nicht irgendein abgedroschenes Salzburg-Motiv im Vordergrund, sondern – wie der raffinierte Name nahelegt – ein Kunstwerk, das die Vorderseite ziert. Dazu wurde ein bewusst offen gestalteter Call initiiert, der rege Anteilnahme erfuhr, wie sich die Verantwortlichen überrascht zeigten. Bilder, Grafiken, Gemälde, Fotos, Installationen, aber auch Musik und Videos wurden eingereicht. Aus knapp 100 Einsendungen wählten die Projektinitiatorinnen sechs aus, die fortan die Vorderseiten der 10,000 Postkarten zieren.

Alternative Kreativschaffende in Salzburg sollen so sichtbar gemacht werden.

Das Grundkonzept war, KünstlerInnen eine Plattform zu bieten, diesen einen gewissen Grad an Unabhängigkeit einzuräumen und ihnen die Möglichkeit zu geben, ihre Werke einer Öffentlichkeit vorzustellen. Alternative Kreativschaffende in Salzburg sollen so sichtbar gemacht werden, die mit den Postkarten die Stadt und die Welt bespielen. Dazu wurde gezielt das Medium der Postkarte gewählt. Frei nach dem Riepl’schen Gesetz wurde der eigentliche Zweck der Postkarte, ursprünglich ein Kommunikationsmedium, durch ihre innovative Nutzung umgedeutet und die Postkarte prompt als niederschwellige Kunstplattform definiert. Als Postkartenmotiv zirkuliert hier das Kunstwerk relativ frei und KünstlerInnen sind nicht abhängig von irgendwelchen Ausstellungsräumen. Das Projekt richtet sich primär an Einheimische, die einen neuen Blick auf ihre Stadt bekommen wollen. Dies ist hauptsächlich den Orten geschuldet, wo die Karten aufliegen, wie Uni-Fakultäten, Alchemiste Belge, Schnaitl, 220°, Rockhouse, ARGE, JazzIt etc. Aber auch von TouristInnen erhielten die Verantwortlichen bereits positives Feedback für ihre alternativen Blickwinkel auf die Stadt.

Putting in the „ART“ in PostcARTs – Die Motive

Die Choreographin Elisabeth Hillinger wählte für ihren Blickwinkel auf Salzburg ein zum Bücherregal „zweckentfremdetes“ Fenster. Bewusst zeigte sie Salzburg in ihrem Bild „Open“ von der gemütlichen und netten Seite. Die reiche Tradition und Geschichte Salzburgs verdeutlichen dabei die alte Fassade, die Einfachverglasung und die Messingriegel des Holzfensters. Dieses historische Erbe macht die Stadt zu dem, was sie ist. Gleichzeitig schränkt es die Bewegungsfreiheit ein, wie ein Korsett. Neue Möglichkeiten zu finden und sich zu entwickeln, wird dadurch schwieriger. Das offene Fenster symbolisiert Aufgeschlossenheit und einen offenen Geist. Die Bücher im Regal stehen für neue Ideen, die im Rahmen des historischen Erbes Platz finden. Etablierte und traditionelle Strukturen werden so in dieser Komposition mit neuen Zugängen und Nutzungsweisen in Verbindung gebracht, die aber zugleich die Sicht auf wesentliche Dinge verstellen können.

Nico Samitz, Komponist und Trompeter, erschafft seine Perspektive auf Salzburg über die Musik. Sein Blick auf die Stadt ist kein Bild, sondern ein Blasinstrumentenmedley zur Verabschiedung seines Professors Hans Gansch in der Aula des Mozarteums. Unter anderem ertönen Lieder wie „Time to Say Goodbye“ und „My Way“ von den oberen Gängen, die als Emporen für die Fanfaren fungieren. Durch diese zweifellos sehr emotionalen Stücke drücken die Studierenden ihre Wertschätzung ihrem in den Ruhestand schreitenden Professor gegenüber auf musikalische Weise eindrucksvoll aus. Seinem Wissen, seinem Können auf der Trompete, seiner Fairness und Ehrlichkeit wollen seine Studierenden durch diese Aktion so ein audiovisuelles Denkmal setzen.

Für den Maler Günter Konrad gibt es nicht die eine Sichtweise auf Salzburg. Sein Werk besteht deshalb aus einer Kollage von historischen Kunstwerken, wie seinem Lieblingsblickwinkel auf Salzburg, dem Gemälde „Innerer Stein“ von Friedrich Loos von 1838, mit seinen eigenen Gemälden, Fotografien und urbanen Fragmenten, die er über die letzten 20 Jahre gesammelt hat. Durch dieses „Malen mit Bildern“ entsteht so eine Verbindung zwischen der Vergangenheit und der Gegenwart in seinen Werken. Die Kombination historischer hochkultureller Artefakte vergangener Zeiten mit Zeitgenössischem führt so zu etwas Einzigartigem, etwas völlig Neues entsteht, das neue Blickwinkel auf bekannte Motive und auf die Stadt als solche eröffnet.

Die Fotografin und Kulturmanagerin Manuela Seethaler geht mit dem Motiv auf ihrem Bild „Hidden“ ausgetrampelte Pfade komplett neu. Sie fotografierte die über den Dächern Salzburgs thronende Festung, die unzählige Postkarten ziert. Das besondere an ihrem Foto ist, dass der Star, die Festung selbst gar nicht zu sehen ist. Sie ist verborgen hinter dicken Nebelschwaden. Der/die BetrachterIn merkt sofort, dass etwas fehlt. So drängt sich die Frage auf, was wäre Salzburg ohne seine Wahrzeichen? Hinter der hochkulturellen und historischen Fassade Salzburgs, eingebettet in einem schönen und gepflegten Stadtbild, liegt mehr verborgen. Denn auch in Salzburg gibt es Kunst und Kultur, die nicht auf den ersten Blick erkannt wird. Wie die Festung in „Hidden“ liegt das Erkennen dieser im Auge des/der Betrachters/In.

Florian Kecht ist Produzent elektronischer Musik und behandelt mit seinem Motiv „Out of Place“ die technisch ermöglichte omnipräsente Verbundenheit. Dieses In-Verbindung-stehen kann neben Segen zusehends zum Fluch werden. Immer weniger wird miteinander gesprochen, immer mehr Zeit alleine verbracht. Das Alleinsein wird eher verdrängt als offen angesprochen, obwohl es eines der drängendsten Themen heutzutage ist. Viel zu oft reduzieren wir uns auf unsere Profile in sozialen Medien. Wer darauf nicht präsent ist, existiert heute kaum. Hinter diesen Profilen und der allseits bekannten schillernden Fassade Salzburgs steckt ein Mangel an Aufrichtigkeit und Echtheit. Das Bildmotiv symbolisiert dabei das menschlich-ureigene Verlangen nach Freundschaft und Nähe im echten Leben in Salzburg und auch andernorts, dem der Künstler auch in seiner Musik Ausdruck verleiht.

Kunst und Kultur in Salzburg abseits von Festspielen und Mozart

Treue uni:press-LeserInnen dürften mit dem KünstlerInnenkollektiv disposed, die wir in ihrem kvartier in der Rauchmühle besuchten, bereits vertraut sein. Auch dieses Mal sind sie involviert, wenn es um Kunst und Kultur in Salzburg abseits von Festspielen und Mozart geht. Für sie scheint der Fokus in der Stadt darauf zu liegen, attraktiv für TouristInnen zu sein. Räume und Möglichkeiten, sich zu entfalten, sind Mangelware. Das trifft ebenso auf das Salzburger Nachtleben zu, das von Stereotypen gekennzeichnet ist. Ihr Motto „[♥] needs no ‰“ soll den Blick zurück auf das Wesentliche lenken. Sich nicht ablenken zu lassen, die eigenen Stärken zu finden, sich selbst zu befreien und sich zusammenzuschließen. Räume sollten nicht vergessen, sondern genutzt werden, damit die Umgebung belebt wird und die Menschen selbst daran wachsen.


Die Ausstellung im KunstQuartier in der Bergstraße, in der alle Motive im Original zu betrachten und PostcARTs erhältlich sind, läuft übrigens noch bis Juni. Auch eine neue Karten-Auflage ist geplant. Interessierte sollten die Augen nach einem Open Call offenhalten.

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