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Vor über 10 Jahren trat in Österreich die UN-Behindertenrechtskonvention in Kraft. Trotz dieses vertraglichen Meilensteins und zahlreichen Bundes- und Landesgesetzen im Bereich des sogenannten „Behindertenrechts”, liegt die Gleichstellung von Menschen mit Behinderungen immer noch in weiterer Ferne, als gerne suggeriert wird: Barrieren in den Köpfen der Menschen, defizitär-medizinische Blicke und bauliche Hindernisse gehören immer noch zum Alltag von Menschen mit Behinderungen. Eine tief verankerte, veraltete und paternalistische Sicht führt zu Bevormundungen in allen Lebensbereichen, wie auch das Beispiel der diskriminierenden Badeordnung der Städtischen Bäder in Salzburg zeigt.

Von Hannah Wahl

In der erst im Oktober 2019 aktualisierten Badeordnung, die laut Auskunft in allen Salzburger Stadtbädern gilt, werden die Zutrittsbestimmungen des Paracelusbades u.a. wie folgt festgelegt: „BesucherInnen mit Neigung zu Krampf-, Ohnmacht- oder Epilepsieanfällen, Herzkreislauferkrankungen sowie geistigen Behinderungen, ist der Zutritt und Aufenthalt nur mit einer geeigneten Betreuungsperson gestattet.” Und weiter: „Kinder bis zur Vollendung des 7. Lebensjahres, Blinde und Personen, die sich ohne fremde Hilfe nicht fortbewegen oder aus- und umkleiden können, dürfen das Freizeitbad nur in Begleitung einer volljährigen und geeigneten Aufsichtsperson besuchen. Es gilt die allgemeine Aufsichtspflicht im Freizeitbad durch die Erziehungsberechtigten.”

Menschen mit Behinderungen wird abgesprochen, sich alleine im Bad aufhalten zu können

Was hier zusammengepfercht in zwei Punkten aufgezählt wird, enthält mehrere ableistische Dimensionen. So wird Menschen mit „geistigen Behinderungen”, die sich selbst Menschen mit Lernschwierigkeiten nennen, abgesprochen, sich alleine im Bad aufhalten zu können. Dem liegen Vorurteile zu Grunde, die betreffenden Personen würden nicht alleine zurechtkommen, wobei außer Acht bleibt, dass es nur an vorhandenen Barrieren liegen kann, wenn die gleichberechtigte Teilhabe unmöglich bleibt. Blinde Personen und Personen „die sich ohne fremde Hilfe nicht fortbewegen oder aus- und umkleiden können”, werden mit Kindern gleichgesetzt, die eine “Aufsichtsperson” benötigen würden. Bemerkbar wird dabei wie sich die stereotype Sicht auf Menschen mit Lernschwierigkeiten als „ewige Kinder“ und infantile Erwachsene, die betreut und beaufsichtigt werden müssen, bis heute hält. Zeitgemäß und menschenrechtskonform ist sie allerdings nicht, wie ein Blick in die UN-Behindertenrechtskonvention (UN-BRK) verdeutlicht.

Heftige Kritik an Retro-Badeordnung

Die Tatsache, dass “Betreuungspersonen” als Bedingung für den Aufenthalt gefordert werden, widerspricht dem Recht auf Selbstbestimmtes Leben, wie es u.a. die UN-Behindertenrechtskonvention (UN-BRK) garantieren soll. Theresa Hammer, Leiterin der Rechtsdurchsetzung des Klagsverbands zur Durchsetzung der Rechte von Diskriminierungsopfern, stellt dazu fest: „Gästen mit bestimmten Erkrankungen oder Behinderungen pauschal den Zutritt zum Bad nur mit einer Begleitperson zu gestatten, ist diskriminierend. Das Behindertengleichstellungsgesetz und die UN-BRK halten vielmehr fest, dass Dienstleistungen barrierefrei gestaltet sein müssen. Das heißt, es muss möglich sein, dass sie von allen Gästen auf die allgemeingültige Weise und grundsätzlich ohne fremde Hilfe genutzt werden.”

Auch die Antidiskriminierungsstelle der Stadt Salzburg stuft beide Punkte als diskriminierend ein: „Menschen mit verschiedenen Behinderungen dürfen das Bad nicht alleine und selbstbestimmt besuchen. Dabei werden vermeintlich sachliche Rechtfertigungen angeführt, die genauerer Betrachtung nicht standhalten”, heißt es in einer Stellungnahme.

UN-Konvention in Salzburg scheinbar noch nicht angekommen

Für Monika Schmerold, Obfrau von knack:punkt – Selbstbestimmt Leben Salzburg, gäbe es für das Paracelsusbad dringenden Handlungsbedarf: „Es ist unglaublich, dass in Salzburg die UN-Behindertenrechtskonvention scheinbar noch nicht angekommen ist und Menschenrechte nicht anerkannt werden. Wie anders lässt es sich sonst erklären, dass 2019 in einem neuen Bad, das auch noch mit öffentlichen Geldern errichtet wurde, nicht nur im Ablauf der Besuche und in der Ausstattung, sondern auch in den Baderegeln derart diskriminierende Bestimmungen zu finden sind.” Der Ausschluss von Menschen mit Behinderungen entspräche keinesfalls einer modernen Stadt, die sich Menschenrechte und Vielfalt auf die Fahne schreiben würde.

Monitoringausschuss fordert: Missstände ehestmöglich beseitigen

Nach einer Anfrage beim Salzburger Monitoringausschuss, der die Umsetzung der UN-Behindertenrechtskonvention auf Landesebene überwacht, veröffentlichte dieser ausführliche Empfehlungen für einen barrierefreien Zugang von Menschen mit Behinderungen zu öffentlichen Bädern. Die Empfehlungen beinhalten „die umgehende Beseitigung diskriminierender Zugangsbeschränkungen für Menschen mit Behinderungen in der Haus- und Badeordnung des Paracelsusbades“ sowie die „Überprüfung der Haus- und Badeordnungen aller öffentlicher Bäder im Bundesland Salzburg hinsichtlich diskriminierender Bestimmungen und gegebenenfalls ihrer Beseitigung“. Darüber hinaus seien die umfassende Barrierefreiheit und gleichberechtigte Nutzungsmöglichkeit für Menschen mit „unterschiedlichen Beeinträchtigungen“ in allen öffentlichen Bädern sicherzustellen. Auch in Einzelfällen seien – wenn nötig – angemessene Vorkehrungen zu treffen. Betont wird auch die Einbindung von Expert*innen mit Behinderungen in notwendige Prozesse, um „kritische Punkte zu identifizieren und praxistaugliche Lösungen umzusetzen“.

Paracelsusbad-Leiter sieht keine Diskriminierung

Gerhard Smöch, Betriebsleiter des Salzburger Paracelsusbades, antwortet auf eine Anfrage, dass keine Diskriminierung bei dieser Badeordnung vorliege. Man sei aber mit der „Behindertenbeauftragten” der Stadt und den städtischen Bädern dabei, “verschiedene Formulierungen zu ändern”. Auch von anderen Seiten wird bestätigt, dass bereits Gespräche mit den Verantwortlichen laufen, diese seien aber aufgrund der Corona-Krise verzögert. 

2020  Substanzielle Änderungen in Sachen Badeordnungen?

Wie die Überarbeitung der Badeordnungen von Oktober 2019 aussehen wird, scheint derzeit noch unklar. Fest steht allerdings, dass mehr als eine Änderung von “verschiedenen Formulierungen”– beispielsweise das Ersetzen der “Betreuungspersonen” durch Persönliche Assistent*innen – notwendig ist, um eine diskriminierungsfreie und inklusive Badeordnung für alle Salzburger*innen zu schaffen. Es bleibt zu hoffen, dass die Verantwortlichen die umfassende Expertise von Selbstvertreter*innen und Menschenrechtsexpert*innen eingeholt haben, damit die Neuauflage dieses Mal den aktuellen Voraussetzungen für diskriminierungsfreie Zutrittsbestimmungen entspricht.

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