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Am Fachbereich Erziehungswissenschaft bleibt man weiterhin stur. Im Oktober 2016 hatte sich der Pädagoge Günter Haider über das Universitätsgesetz hinweggesetzt und rund 100 Prüfungen einfach nicht benotet (die uni:press hat berichtet). Doch auch massiver medialer Druck konnte ihn bislang nicht dazu bewegen, seinen Fehler auszubessern.

Ein Update von Christoph Würflinger

 Causa Pädagogik

Haider vs. Internet

Zur Erinnerung: Professor Haider, als ehemaliger Direktor des BIFIE lange für die PISA-Studie verantwortlich, hatte Anfang Oktober einen vermeintlichen Schwindelversuch zum Anlass genommen, rund 100 Prüfungen einfach verschwinden zu lassen. In Wirklichkeit hatten sich Studierende über alte Prüfungsfragen ausgetauscht – im Neuland Internet. Dass das nichts Ungewöhnliches und auf gar keinen Fall etwas Unerlaubtes ist, bestätigte Ende November auch Vizerektor Müller in einem E-Mail an die Lehrenden der Uni Salzburg:

„Es kommt vor, dass Studierende Prüfungsfragen oder Prüfungsprotokolle kopieren bzw. fotografieren oder auch Prüfungsfragen nach einer Prüfung aus dem Gedächtnis rekonstruieren und dann diese Fragen auf verschiedenen Wegen, insb. aber auf Facebook und Co. mit ihren Kolleg/inn/en teilen. Entgegen eventueller Annahmen von Lehrenden handeln die Studierenden hierbei nicht gesetzeswidrig. Studierende haben das Recht Prüfungen zu kopieren und sich darüber auszutauschen.“

Sein Vorschlag: Lehrende sollten sich für jede Klausur neue Fragen überlegen. Klingt eigentlich gar nicht so blöd. Falls das für diesen Prof. Haider trotzdem zu revolutionär sein sollte, möge er eine weitere, fast schon philosophische Erkenntnis des Vizerektors berücksichtigen:

„Eine Frage zu kennen, heißt noch nicht, auch die Antworten darauf zu kennen.“

Amen.

Dass dieser Haider sich darüber echauffiert, dass Studierende Zugriff auf die Lösungen zu seinen Fragen hatten, ist umso absurder, wenn man bedenkt, dass er die Verwendung von Laptops etc. ausdrücklich erlaubt hat. Ihm war außerdem bereits lange vor dieser Prüfung bekannt, dass Fragen von Altklausuren im Umlauf sind, wie folgende Aussage einer Pädagogikstudentin zeigt:

„Herr Haider [meinte], dass alle ihre Tablets und Handys wegpacken sollten – alles, womit Fotos gemacht werden könnten – da ja bereits auf Facebook eh schon so viele Fotos seiner Prüfung kursieren.“

Haider vs. Qualitätshandbuch

Ihm hätte also eigentlich der Hausverstand sagen sollen, dass es an der Zeit wäre, sich neue Fragen auszudenken. Aber gut, gehen wir einmal einfach so – aus Spaß an der Freude – davon aus, dass der arme, gutmütige, nichtsahnende Professor Haider tatsächlich von hinterlistigen Studierenden in einem groß angelegten Täuschungsmanöver auf bösartigste Weise betrogen wurde: Wie kommt er dazu, fast 100 Klausuren einfach so verschwinden zu lassen? Es gibt im Qualitätshandbuch für Lehrende der Universität Salzburg (S. 21) relativ klare Anweisungen, was bei einem Schwindelversuch zu passieren hat:

  • Sichern Sie die schriftlichen „Schummelunterlagen“ (d.h. wegnehmen bzw. kopieren). Achtung: Wenn z.B. klausurrelevante Informationen in einer Handfläche geschrieben stehen, wird es darauf ankommen festzustellen, was dort steht. Die Tatsache allein, dass etwas aufgeschrieben wurde, muss noch nichts bedeuten.

  • Die Studentin bzw. der Student darf die Prüfung regulär fortsetzen, d.h. die Prüfungsunterlagen dürfen ihr oder ihm nicht weggenommen werden!

  • Vermerken Sie auf dem Prüfungsbogen, dass unerlaubte Hilfsmittel verwendet wurden.

  • Kennzeichnen Sie auf dem Prüfungsbogen, z.B. durch Strich und Vermerk, wann (ab welcher Stelle auf dem Prüfungsbogen und zu welcher Uhrzeit) die „Schummelunterlagen“ sichergestellt wurden.

  • Bei der Beurteilung der Prüfung ist zu überprüfen, ob die „Schummelunterlagen“ für die gestellten Aufgaben auch wirklich relevant waren.

  • Bei der Beurteilung ist nur der „schummelfreie“ Teil zu beurteilen und es ist festzustellen, ob dieser „Rest“ für eine positive Note ausreicht (je später die Schummelunterlagen entdeckt wurden, desto unwahrscheinlicher wird das werden). Wenn nicht, ist die Prüfung negativ zu beurteilen.

  • Der Umstand, dass die/der Studierende geschummelt hat, erlaubt für sich noch keine negative Beurteilung!

Haider vs. Universitätsgesetz

Prof. Haider hat niemandem einen Schummelversuch nachweisen können. Er hat allein auf Basis von Vermutungen gehandelt – und zwar gesetzeswidrig. Das Universitätsgesetz sagt ganz deutlich, dass eine Prüfung mit Bescheid für nichtig zu erklären ist, wenn die Beurteilung durch die Verwendung unerlaubter Hilfsmittel erschlichen wurde. Was nicht geht: Sie einfach in der Schublade verschwinden zu lassen oder sie zu verbrennen (oder was auch immer dieser Professor Haider damit angestellt hat).

Der Terrorfachbereich

Am Fachbereich selbst wurde die Studienvertretung massiv eingeschüchtert. Diese hatte ursprünglich eine Klärung der Sache auf Fachbereichsebene im Sinn, wurde dann aber von der Fachbereichsleitung und dem CUKO-Vorsitzenden mehr oder weniger ignoriert und dazu gedrängt, die Studierenden per E-Mail auf die angebliche Rechtmäßigkeit und Ausweglosigkeit der Sache hinzuweisen. Zudem wurde den Studierenden in einigen Lehrveranstaltungen von Lehrenden mit einer möglichen nachträglichen Aberkennung von Noten und sogar Abschlüssen gedroht. Und als ob das nicht schon absurd genug wäre, steht auch die Drohung im Raum, Prüfungen in Zukunft anspruchsvoller zu gestalten (= Hardcore-Knockoutprüfungen), falls es jemand wagen sollte, sich gegen diese Ungerechtigkeiten zu wehren. Dabei sollte gerade den Angehörigen des Fachbereichs Pädagogik klar sein, dass ein sinnvolles Lernen in einem solchen Klima der Angst nur schwer möglich ist.

Es ist reichlich ironisch, dass die Pädagogik sich das erklärte Ziel setzt, junge Menschen zu mündigen, kritischen Erwachsenen heranzubilden (oder dabei zu unterstützen), aber am eigenen Fachbereich eine Situation schafft, in der Studierende eingeschüchtert werden, bis sie sich nicht mehr trauen, Kritik zu äußern und für ihre Anliegen einzustehen.

Warum zählt hier der Ruf eines Professors offensichtlich mehr? Warum will niemand diese Fehler eingestehen? Warum schließen die KollegInnen am Fachbereich ihre Reihen und decken diesen Professor, wohl wissend, dass hier Unrecht geschehen ist? Warum halten sich die eigentlich zuständigen Instanzen – das Rektorat und die Fachbereichsleitung – so feige zurück und lassen die betroffenen Studierenden im Regen stehen?

One Comment

  • Hans Günter sagt:

    Handelt es sich hier um ein laufendes gerichtliches Verfahren? Und besteht jemals die Möglichkeit das die ursprünglichen Noten beurteilt werden und die Studierenden zu ihrem Recht kommen?

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