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Seit Oktober 2019 hat die Universität Salzburg einen neuen Rektor: Hendrik Lehnert. Wir haben mit ihm über seine Pläne für die Uni, Salzburg als Studierendenstadt, Forschungsfinanzierung und viele andere Dinge gesprochen. Von Robert Obermair und Christoph Würflinger

uni:press: Sie haben in ihrem Strategiepapier gesagt, dass die Uni Salzburg vor ganz wesentlichen und neuen Herausforderungen steht. Welche ist aus Ihrer Sicht die Größte und wie möchten Sie die angehen?

Lehnert: Es sind mehrere große Herausforderungen, die zu werten gar nicht so ganz einfach ist, weil sie alle weitgehend gleichrangig zu sehen sind. (A) muss sich die Universität Salzburg wahrscheinlich mehr, als das bisher der Fall war, kompetitiv bewähren, also sich dem Vergleich mit anderen Universitäten stellen, und zwar zum Einen hinsichtlich der wissenschaftlichen Leistungen und des wissenschaftlichen Anspruches und zum Anderen natürlich auch, was die Attraktivität für Studierende angeht. Universitäten werden bewertet, gehen in Rankings ein, über die man sicher lange und trefflich diskutieren kann, und da ist das Ziel, dass Salzburg in den kommenden Jahren wesentlich sichtbarer wird. Und der zweite Punkt, was die Wissenschaft angeht, ist die hoffentlich kommende Exzellenzinitiative des Bundes, wo Salzburg überlegen muss, was sind unsere Schwerpunkte, unsere wissenschaftlichen Assets, mit denen wir uns in Zukunft aufstellen?

Was die Attraktivität als Studienstandort angeht, ist für uns ganz entscheidend, dass die Zahl der Studierenden zumindest nicht weniger wird. Wir haben ja auch ein neues Finanzierungssystem in Österreich, was über die sogenannte Studienplatzfinanzierung läuft – prüfungsaktive Studenten ist das große Stichwort natürlich – und da muss Salzburg wirklich viel tun, wie die anderen Universitäten auch, um attraktiv zu sein, nicht nur für Studienbeginner, sondern auch später, damit die Studierenden prüfungsaktiv bleiben.

„Ich sehe die Exzellenzinitiative wirklich überwiegendst positiv.“

uni:press: Sie haben die Exzellenzinitiative angesprochen, die ja in Deutschland durchaus nicht unumstritten ist– wie sehen Sie das?

Lehnert: Ich sehe das wirklich überwiegendst positiv. Ich sehe natürlich auch die Probleme, aber grundsätzlich bedeutet eine Exzellenzinitiative, dass die Universitäten gezwungen sind, sich neu zu sortieren und zu sagen, da sind wirklich unsere echten Schwerpunkte und da sind wir wissenschaftlich, aber auch in der wissenschaftsgeleiteten Lehre mindestens national, besser international sichtbar und darauf konzentrieren wir uns. Das halte ich für den ganz entscheidenden Vorteil, dass die Universitäten quasi gezwungen werden, in einen neuen Prozess der Reflexion einzutreten, über sich nachzudenken, über die Schwerpunkte nachzudenken und über Vernetzungen nachzudenken. Noch schöner ist dann natürlich, wenn man erfolgreich ist.

Die großen Nachteile, die bestehen, sind sicher zum einen, dass, wenn man nicht aufpasst, eine Exzellenzinitiative auch auf Kosten kleinerer Fächer, sogenannter Orchideenfächer gehen kann, die nicht in den jeweiligen Forschungsschwerpunkt eingebunden werden, und zum anderen, dass potenziell und auf lange Sicht gesehen eine Art Zweiklassensystem in der Universitätslandschaft entsteht. Es gibt ja Universitäten, die als Exzellenzuniversitäten anerkannt sind und die, die es nicht sind. Das ist natürlich eine Sorge und Befürchtung. Im Moment – und ich kenne das deutsche System ja wirklich sehr gut – sehe ich die Gefahr noch nicht.

Wenn ich das vielleicht kurz nochmal hinzufügen darf, für uns hier wäre immer extrem wichtig, dass wir die Fächerkultur, für die Salzburg steht, mit sogenannten kleinen Fächern, vor allen Dingen Fächern in den Buchwissenschaften, erhalten und dass wir da alles tun werden, wenn es zu einer solchen Initiative kommt, oder auch grundsätzlich für Schwerpunktbildungen, diese möglichst mit zu berücksichtigen. Ich glaube, das ist wahrscheinlich die größte Herausforderung: Die Vernetzung am Ort zu schaffen zwischen den kleineren Fächern und den größeren.

„Es ist klar, dass es keine Universitäten mehr im Elfenbeintrum geben darf.“

uni:press: Mit diesen „Orchideenfächern“ haben Sie eine ganz wichtige Grundsatzfrage angesprochen, nämlich die Entscheidung zwischen reiner Verwertbarkeit für einen potenziellen Profit und auf der anderen Seite freier Bildung. Was halten sie in dem Fall für wichtiger?

Lehnert: Es ist glaube ich schwer, beides miteinander zu vergleichen. Es sind wirklich zwei ganz unterschiedliche Ebenen, als ich stehe sicher für das Primat von Freiheit von Forschung und Lehre, besser Freiheit in der Wissenschaft, und dazu gehört für mich auch, dass wir Fächer haben, die nicht unmittelbar unter dem Verwertungsgedanken stehen, also eine Reihe von Studiengängen und Fächern in der KGW und der Theologie, die wirklich nicht unter diesem Gesichtspunkt der Verwertbarkeit gesehen werden können, und da stehen wir auch dazu, weil da geht es wirklich um Forschung und die dazugehörige Wissensvermittlung, aber nicht darum, wie bringe ich das sofort mit einem Technologietransfergedanken zusammen.

Unabhängig davon aber ist auch klar, dass es keine Universitäten mehr im Elfenbeinturm geben darf, auch nicht für die kleinen, sogenannten Orchideenfächer, denn das, was da gemacht wird, geforscht wird, gelehrt wird, das muss zumindest auch gesellschaftliche Resonanz haben und diskutiert werden können in gesellschaftlichen Foren, auch ohne dass ich jetzt gleich hier an Verwertung denke. Das glaube ich, ist die eine Seite.

Die andere ist natürlich die, dass wir als Universität eine ganz klare gesellschaftliche Verantwortung haben und dass wir überall da, wo auch eine Schnittmenge mit Entscheidungsträgern aus Wirtschaft, Politik und Kultur wahrnehmbar ist, diese Nähe natürlich auch suchen, weil wir die Aufgabe haben, das, was wir hier machen und an Wissen generieren, auch zu transportieren, aber gleichzeitig Wissen und Erfahrung aus der Gesellschaft dann auch aufnehmen, um sie hier zu diskutieren. In letzter Konsequenz ist es auch so, dass wir mit den Fächern, die wirklich sehr nahe an der Wirtschaft agieren, Wirtschaftswissenschaften sowieso, aber auch im Bereich der Computerwissenschaften zum Beispiel, natürlich auch durch gezielte Startup- und Career-Strategien dann unseren Absolventen ermöglichen wollen, hier zu bleiben und beispielsweise ein Startup zu machen. Das ist sicher ein Ziel.

Also es sind wirklich drei Ebenen, die wir hier haben. Die eine Ebene der rein wissenschaftsgetriebenen Forschung und Lehre ohne den Gedanken der Verwertbarkeit, aber im Diskurs, zweitens dann der unmittelbare Diskurs mit Wirtschaft, Politik und Kultur, und drittens Hilfestellung für Karrieren und Startups. Das sind drei Dinge, die heute alle zusammen an eine Universität gehören.

uni:press: Sie haben angekündigt, dass Sie den Studierenden Freiräume für intellektuelle und persönliche Reifungsprozesse einräumen wollen – planen Sie eine grundlegende Reform der Studienpläne?

Lehnert: Das ist ein Punkt, über den wir uns gerade extrem intensiv unterhalten. Es betrifft einmal die Struktur der Studiengänge per se, dass wir sagen, wir wollen zunehmend mehr Studiengänge, die fakultätsübergreifend sind, „Crossover-Studiengänge“, Beispiel Digitalisierung, Innovation, Gesellschaft oder Beispiel PPE. Das sind Studiengänge, in denen definitiv der Blick über den Tellerrand vermittelt wird, wo persönliche Reifungsprozesse der Studierenden mit ein Ziel sind, durch die philosophische oder ethische Auseinandersetzung mit den jeweiligen Studien. Das wird zunehmend wichtiger werden für uns, dass wir darauf achten, dass wir auch mehr und mehr in Studiengängen, die primär naturwissenschaftlich orientiert sind, Inhalte aus KGW und idealerweise auch Theologie mit einfließen lassen.

Wir denken auch darüber nach, wie wir das machen mit der Ausweitung von zum Teil schon bestehenden propädeutischen Kursen, mit Inhalten, die tatsächlich persönliche Reifungsprozesse der Studierenden betreffen und idealerweise auch befördern in der Anfangsphase des Studiums, weil diese letztlich entscheidend dafür ist, wie es weiter läuft mit Studienerfolg und Prüfungsaktivität. Die Grundlagen werden ja extrem früh gelegt, im ersten Semester.

„Der Trend geht ganz eindeutig dahin, dass wir viel mehr als bisher interdisziplinär arbeiten.“

uni:press: Sinnvollen Reformen sind in der Vergangenheit oft an den Partikularinteressen einzelner ProfessorInnen gescheitert. Da geht es oft um ganz kleine Details, also werden beispielsweise zwei zusätzliche ECTS-Punkte für ein Wahlfach ermöglicht oder nicht. Wie werden Sie hier an die Sache herangehen, damit man Studienpläne wirklich nachhaltig ändert?

Lehnert: Also es geht letztlich über zwei Mechanismen. Zum einen Gespräche und Überzeugungsarbeit, die wir dann auch gemeinsam mit dem Vizerektorat Lehre umsetzen, zum anderen bin ich überzeugt davon, dass auch durch die Umstellung des Systems – Stichwort Studienplatzfinanzierung – mehr und mehr die Notwendigkeit bei allen gesehen wird. Also ich glaube, dass die ganz große Chance für Salzburg darin besteht, dass wir einen Teamgeist über die gesamte Universität bekommen. Klar, das ist eine große Aufgabe und das ist in Salzburg wahrscheinlich nicht viel anders als an anderen Universitäten auch, dass viele Partikularinteressen da sind, aber der Trend geht ganz eindeutig dahin, dass wir viel mehr als bisher interdisziplinär arbeiten, Studiengänge entwickeln, die sich über mehrere Fakultäten ausdehnen, und dass damit die Grenzen zwischen den Fakultäten und Fachbereichen immer mehr verschwinden. Aber das kann man nicht sofort überstülpen, das ist ein Diskurs und ich glaube, dass wir das spätestens innerhalb des nächsten Jahres geschafft haben.

uni:press: Salzburg wird ja kaum als Studierendenstadt wahrgenommen aktuell. Sie haben gesagt, Sie wollen das – wie auch schon Ihr Vorgänger – ändern. Wie wollen Sie das erreichen?

Lehnert: Das ist tatsächlich eine der schwierigeren Aufgaben. Salzburg ist eine Stadt, die natürlich anders geprägt ist, die ist als Festspielstadt geprägt und durch viele andere Aktivitäten. Immerhin heißt es jetzt schon offiziell auf den Stadtschildern Festspiel- und Universitätsstadt, das ist schon mal ein großer Schritt nach vorne. Das werden wir sicher zum einen dadurch ändern, dass wir die Studierenden viel, viel mehr in unsere Entscheidungen und Gedanken mit einbeziehen werden. Wir haben ja auch regelmäßige Treffen und Besprechungen mit der ÖH, wo wir gemeinsam neue Konzepte überlegen. Wir haben ja in der neuen Geschäftsordnung angekündigt, dass wir sogenannte Task Forces haben, wo zu brennenden Themen der Universität und überall da, wo es nur irgendwie geht, auch Studierende mit eingebunden werden, da werden wir drauf achten, das geht ja auch gar nicht anders, denn letztendlich ist die Uni für die Studierenden da. Das heißt einmal, Teilhabe an Entscheidungsprozessen ist super wichtig, zweitens, dass wir dann gemeinsam Räume und Zeit schaffen für Veranstaltungen, für Feste, Studierendenfeste, das ist sicher ein Thema.

„Teilhabe an Entscheidungsprozessen ist super wichtig.“

uni:press: Das ist ein ganz wichtiges Stichwort, weil gerade in den letzten Jahren seitens der Universitätsverwaltung mehr und mehr Steine in den Weg gelegt worden sind, dass es in Salzburg noch so etwas wie Studierendenfeste oder überhaupt auch andere Veranstaltungen nach 19 Uhr geben kann. Vor zehn Jahren hat‘s noch auf allen Fakultäten beispielsweise Studi-Feste gegeben, das ist sukzessive von der Verwaltung abgedreht worden. Wie ist da Ihr Zugang, möchten Sie das wieder ermöglichen?

Lehnert: Ich möchte es auf jeden Fall ermöglichen. Wir haben natürlich hier bestimmte räumliche Grenzen, das ist klar. Die großen Feste in den Universitätsgebäuden selber, sind aus baulichen, technischen Gründen tatsächlich extrem schwer umzusetzen, leider. Aber wir sind jetzt dabei und hoffen, dass wir das alles hinbekommen. Zum einen haben wir ja die Möglichkeit, in Freisaal auf den Grünflächen große Sommerfeste zumachen. Das ist sicher etwas, was wir ganz dringend haben wollen, da findet schon eins statt, aber das kann man sicher noch ausbauen, das soll regelmäßig stattfinden.

Wir wollen versuchen, und haben dazu auch jetzt Ortsbegehungen, auch zum Beispiel das Amphitheater in Freisaal zu nutzen. Da kann man jetzt nicht Feste machen, das ist so‘n bisschen risky mit den Stufen, aber wir wollen da auch Theater, Freilichtkino und Ähnliches im Amphitheater machen und es finden auch schon Gespräche mit der Stadt Salzburg statt, ob es Möglichkeiten gibt, ein Viertel noch mehr studentischer auszuweisen als das bisher der Fall ist – so richtige Studentenviertel haben wir ja nicht in Salzburg, Kaigasse ist so ein bisschen ein Viertel vielleicht. Der abschließende Punkt sind sicher auch die ganzen Vortragsveranstaltungen, die öffentlichen Veranstaltungen, die Ringvorlesungen und so weiter, wo Studierende wesentlich mehr als bisher auch eingebunden werden können.

Also diese drei Ebenen, einmal Einbeziehung der Studierenden in so viele Prozesse wie irgend möglich, zweitens dann gemeinsame Veranstaltungen und studentische Feste, und drittens mit der Stadt überlegen, wo haben wir wirklich dann auch Räumlichkeiten, um sowas mehr als bisher stattfinden zu lassen.

uni:press: Jetzt war es zuletzt so, dass die Univerwaltung die StudienvertreterInnen aus dem Haus am Rudolfskai aussperren wollte, anders als bisher den Zugang außerhalb der Öffnungszeiten nicht ermöglichen wollte. Warum glauben Sie, handelt die Univerwaltung so obstruktiv gegen die StudienvertreterInnen?

Lehnert: Ich glaube ehrlich gesagt, das war mehr ein technisches Problem. Also wir haben das Problem gesehen, dass auch die Studienvertreter länger den Zugang als bisher haben müssen. Am Ende des Tages war das tatsächlich ein Zugangsschlüsselproblem, da sind wir dabei, das zu lösen. Also die jetzige Verwaltung und insbesondere das jetzige Rektorat ist da mit Sicherheit nicht obstruktiv. Für manche Dinge geben Sie uns bitte noch vier bis fünf Wochen, aber da sind wir dabei, also da wird es sicher kein obstruktives Verhalten geben.

„Also es ist ganz sicher so, dass man sich in diesem Cluster zusammenraufen muss.“

uni:press: Ein kleiner Sprung in eine andere Ebene, zum Lehramtsstudium. Die Kooperation im Lehramts-Cluster Mitte – speziell mit dem Konkurrenzstandort Linz – läuft ja nicht immer konfliktfrei. Wie bewerten Sie diese „Zusammenarbeit“?

Lehnert: Also es ist ganz sicher so, dass man sich in diesem Cluster zusammenraufen muss. Das gilt für beide Seiten, von meiner Seite überhaupt kein Vorwurf an irgendjemand, sondern es ist auch ein Stück weit der Situation geschuldet – Studienplatzfinanzierung – ganz klar. Wir haben im Moment auch mit dem Vizerektor für Lehre, Martin Weichbold, jemanden, der sich da extrem engagiert. Er hat da mein volles Vertrauen, ebenso wie Frau Dr. Windischbauer von der Pädagogischen Hochschule, die das, glaube ich, mit sehr viel Augenmaß machen und wir haben dann auch eine Mammutaufgabe vor uns, das auch mit Linz komplementär zu gestalten, und nicht zu Unrecht deswegen auch gesagt, dass das Lehramt auch eine Task Force ist, die jetzt in den kommenden Wochen anfängt zu arbeiten, auch unter studentischer Beteiligung. Wir sind jetzt im Prozess, zu definieren, was sind die Fächer in Linz, was sind die Fächer in Salzburg, bitte möglichst wenig Konkurrenzangebote, sondern wirklich Austausch. Das ist ja letztlich die Idee auch von dem Cluster gewesen und ich denke, da ist jetzt ein neuer Anfang und ein Neubeginn gut.

uni:press: Man hört ja immer wieder, dass sich die Linzer zum Nachteil Salzburgs nicht an Vereinbarungen halten. Wäre es nicht vielleicht gescheiter, sich auf Salzburg zu konzentrieren und die „Zusammenarbeit“ mit Linz langsam zu beenden?

Lehnert: Die Partnerschaft Salzburg–Linz ist ja eine politische Entscheidung gewesen, die wir jetzt nicht ohne weiteres ädern können und wollen. Das ist eine Diskussion, die muss definitiv woanders geführt werden. Im Moment setze ich wirklich darauf, dass beides möglich ist – die Konzentrierung auf Salzburger Stärken, natürlich, das macht jede Universität, das macht auch Linz, das macht Innsbruck, das machen die anderen auch, aber wir müssen und werden innerhalb des Clusters auch die Claims abstecken und ich bin sicher, dass das funktionieren wird. Also wir denken im Moment nicht an Insellösungen, sondern werden alles dafür tun, dass das im Cluster Mitte vernünftig funktioniert.

„Für mich gehört zu jeder Feier dazu, dass wir nicht nur feiern und jubeln, sondern dass wir auch kritisch gucken, was ist in der Vergangenheit passiert.“

uni:press: Etwas, das Ihre Vorgänger in den letzten Jahren sehr beschäftigt hat, war der Umgang mit Ehrungen von Personen, die in verschiedenster Art und Weise mit dem Nationalsozialismus verstrickt waren. Die Universität Salzburg hat – als eine der ersten und trotz Gegenwind – vorbildlicherweise die Ehrungen von drei Personen widerrufen, weil sie Mitglieder der NSDAP waren. Einige Nazis, darunter etwa Herbert Karajan, stehen noch immer auf der Tabula Honorum – haben Sie vor, hier weiterhin aktiv zu sein, damit die Tabula Honorum nazifrei wird?

Lehnert: Also einzelne Namen würde ich an dieser Stelle jetzt gerne rauslassen, weil das wirklich ein generelles Problem ist. Für uns ist völlig klar, dass wir die Dinge komplett auf den Prüfstand stellen und dass wir überall da, wo es notwendig ist, die politische Vergangenheit beleuchten. Wir werden uns ganz klar im Rahmen von Veranstaltungen, die in den kommenden Jahren auf Salzburg und auf die Universität zukommen, da auch nochmal sehr klar positionieren als wirklich weltoffene und tolerante Universität, die aber auch ganz klar kritisch ist und bestimmte politische Haltungen und extreme Haltungen nicht zulassen wird, insbesondere solche, die mit nationalsozialistischer Vergangenheit zu tun haben. Wir werden das sicher thematisieren. Nächstes Jahr begehen wir zum Beispiel 75 Jahre Beendigung des Zweiten Weltkrieges, da wird Salzburg aktiv sein und wird es auch eine Ausstellung zu dieser Thematik geben im Zusammenhang mit der Universitätsbibliothek.

In drei Jahren feiern wir ja 400 Jahre Paris Lodron-Universität und für mich gehört zu jeder Feier dazu, dass wir nicht nur feiern und jubeln, sondern dass wir auch kritisch gucken, was ist in der Vergangenheit passiert, ganz klar. Dass es hier Namen und Verstrickungen gibt, das wissen wir und da wird die Universität extrem drauf achten, dass das sauber und ordentlich aufgearbeitet wird.

uni:press: Sie haben zwar grad gesagt, sie möchten über einzelne Namen nicht diskutieren, aber einen konkreten Namen möchten wir trotzdem kurz nachfragen, weil letztes Jahr erst das Ehrendoktorat der Universität Salzburg an den Antisemiten Mikis Theodorakis verliehen worden ist. Haben Sie das Gefühl, die Universität Salzburg hat sich damit vielleicht sogar selbst ins Knie geschossen, Mikis Theodorakis zu ehren, wenn man gleichzeitig die eigene Tabula Honorum kritisch aufgearbeitet hat?

Lehnert: Also da müsste ich tatsächlich selber nochmal hinein. Wir kennen natürlich Mikis Theodorakis von einer ganz anderen Seite als künstlerischen Wegbereiter der Demokratie in Griechenland und da war Theodorakis in den 60er, 70er Jahren extrem aktiv und auch vorbildhaft tätig. Was die anderen Äußerungen angeht, müsste ich wirklich erst reingehen.

uni:press: Falls sich dann herausstellen würde, dass das ganz klar ist, was in Griechenland gerade der aktuelle Stand in der Zeitgeschichtsforschung ist, dass er als antisemitisch einzustufen ist, müsste man das Ehrendoktorat widerrufen?

Lehnert: Also man würde erst mal gucken. Ein Ehrendoktorat wird ja nicht einfach nur so verliehen, sodass natürlich auch in den Kommissionsbericht geguckt wird und dann abgewogen wird und die Äußerungen würden wir uns hier im Einzelnen wirklich nochmal angucken und müssen das, was er gesagt hat, abwägen gegenüber den völlig unstrittigen politischen Verdiensten und Verdiensten um die Demokratie, die er definitiv hat.

uni:press: Unter den Ehrendoktoren der Universität Salzburg befindet sich ja auch Peter Handke, der ein ambivalentes Verhältnis zum Völkermord in Bosnien hat. Warum ist dem in dieser aufgeheizten öffentlichen Debatte von der Universität gratuliert worden?

Lehnert: Peter Handke hat eine enge Beziehung zur Universität Salzburg und wir haben ihm aus diesem Grund gratuliert. Wir wissen sehr genau und haben intensiv diskutiert, wie der politische Hintergrund von Handke einzuschätzen ist und das ist ja nun wirklich intensivst in den Medien diskutiert worden. Dass Handkes Auftritte in Serbien und die Reden, die er gehalten hat, mehr als problematisch sind, ist uns allen klar, und ich würde es auch so diskutieren, wie es diskutiert worden ist, nämlich, dass das politisch mit Sicherheit nicht zu unterstützen und gutzuheißen ist, was er gemacht hat.

Auf der anderen Seite steht ein unstrittig großartiges literarisches Werk. Er ist definitiv ein sehr sprachgewaltiger und herausragender Dichter und Schreiber, ohne jede Frage, und dafür ist er auch ausgezeichnet worden. Ich bin ganz sicher, dass sich auch das Nobelpreis-Komitee damit extrem intensiv auseinandergesetzt hat, sich die Entscheidung auch nicht einfach gemacht hat und am Ende des Tages ähnlich argumentiert hat wie wir: Da ist ein großes dichterisches Werk, dem haben wir auch ganz klar unsere Anerkennung gezollt, aber unsere Anerkennung gilt dezidiert dem dichterischen Werk von Handke, Punkt.

„Jemand, der eine Ehrung erhält, ist in gewisser Weise auch ein Botschafter und steht mit seinem Werk für die Universität.“

uni:press: Gehen wir vielleicht wieder eine Ebene höher, weg von den Einzelpersonen. Ihr Konkurrent um den Rektorsposten, Rudolf Mosler, hat gesagt, vielleicht wäre es gescheiter, wenn man diese Ehrungen überhaupt abschafft. Dann kommt man gar nicht in solche Situationen. Was sagen Sie dazu?

Lehnert: Da bin ich strikt … das sehe ich anders. Ich verstehe sicher Argumente dahinter, dass man dann auch Diskussionen vermeidet, auch Konflikte vermeidet, das ist ja immer ein Problem: Ich ehre heute einen, der einen total sauberen Lebenslauf hat – in fünf Jahren passiert irgendwas. Dafür gibt es zu viele Beispiele, aber dem muss man sich stellen. Ich bin der festen Überzeugung, dass es für eine Universität definitiv gut ist, sich solchen Diskussionen und Konflikten zu stellen, weil man sich dadurch auch wieder selbst reflektiert und infrage stellt und weiterentwickelt und insofern werden wir Ehrungen definitiv weiter beibehalten. Es gehört zu einer Universität dazu, Ehrungen vorzunehmen. Eine Universität zeichnet nicht nur jemanden aus durch eine Ehrung, sondern sie wird auch selber definiert durch die Ehrungen, die man ausspricht. Jemand, der eine Ehrung erhält, ist in gewisser Weise auch ein Botschafter und steht mit seinem Werk für die Universität. Aber man muss – das ist völlig richtig, das ist eines der sensibelsten Themen – schauen, was ist das für eine Biografie und muss vermeiden, dass jemand mit extremen Positionen berücksichtigt wird, das ist klar. Aber ich würde den Diskurs immer führen, weil ich glaube, dass potenzielle Konflikte, die entstehen, der Diskussion extrem guttun.

uni:press: Die nächste Frage ist vielleicht auch ein sensibles Thema. Wir haben heute gewisse Schwierigkeiten gehabt, Ihr Büro zu finden, weil es auch noch nicht beschriftet ist. Es hat im Vorfeld ja einige Diskussionen gegeben über die Neubeziehung der Büros, wo dann auch der Vorwurf im Raum gestanden ist, dass universitäre Demokratie vielleicht in Ihrem Rektorat nicht den gleichen Stellenwert hat wie im Vorgängerrektorat. Wie bewerten Sie diese universitäre Demokratie bzw. welchen Stellenwert hat sie für Ihr zukünftiges Wirken hier in Salzburg?

Lehnert: Also die hat für uns ehrlich gesagt einen Riesenstellenwert, das wird auch ein wesentliches Thema meiner Rede bei der Inauguration sein. Wenn man mit vielen spricht, es gibt immer jemanden, mit dem man aus Versehen nicht gesprochen hat. Wir haben uns sehr viele Gedanken gemacht, wie wir das hier im Haus machen und führen Bereiche zusammen. Das ist ja das Gute, wir kommen mit einem neuen Blick von außen und sagen, so, wir haben hier unterschiedliche Bereiche, die sind verteilt, einer ist da, der andere ist da, die gehören aber inhaltlich in der täglichen Arbeit zusammen, also versuchen wir, die auch alle räumlich zusammenzuführen. Dass das nicht immer reibungsfrei ist, weiß ich auch. Wir haben wirklich versucht, so reibungsfrei wie irgend möglich zu machen. Vorher waren hier, auch aus Platzmangel, nur drei der Vizerektorate hier im Haus untergebracht, jetzt haben wir vier Vizerektorate, die alle hier im Haus sind, das schafft schon mal eine erhebliche räumliche Enge.

„Die Universität ist ein komplett demokratisches Organ.“

Wir haben mit allen Gespräche geführt und bisher ist mein persönlicher Eindruck, dass alle aus der Verwaltung, auch aus den administrativen Bereichen, davon überzeugt sind, dass diese Zusammenlegung, wie wir sie planen, klug ist, inhaltlich und räumlich. Wir haben auch, und das ist für mich ein ganz wichtiges Beispiel universitärer Demokratie und gelebter Demokratie, zum Beispiel übermorgen eine Versammlung der Mitarbeiter einberufen im Nonntal und werden noch einmal mit allen über unsere Pläne sprechen, aber nicht nur frontal, sondern das wird dann auch diskutiert.

Jeder von uns – Vizerektoren und Rektor – hat regelmäßige Teambesprechungen mit den zugeordneten Bereichen, die mindestens zweiwöchentlich stattfinden, wo die ganze Abteilung da sitzt und wir wirklich alles gemeinsam besprechen. Also ich glaube, das sind viele Beispiele dafür, dass wir universitäre Demokratie leben. Geht auch nicht anders – die Universität ist ein komplett demokratisches Organ.

Soll in Zukunft immer offen sein: die Tür zum Rektor.

uni:press: Vielleicht noch einmal konkret zu diesem Fall: Wenn man den Senat rausschmeißt, warum redet man da vorher nicht mit dem Senat?

Lehnert: Der Senat ist ja nicht rausgeschmissen worden. Wir haben ja die Situation gehabt, dass hier in diesem Zimmer Universitätsrat und Senat waren. Die dürfen nicht in einem Raum sein und das ist auch kommuniziert worden. Das ist mit dem Universitätsrat abgesprochen worden und in dem Zusammenhang mit dem Senat vielleicht nicht intensiv genug, aber das ist alles wirklich kommuniziert worden. Das ist mit dem Senatsvorsitzenden, der ja da schon praktisch nicht mehr im Amt war, auch noch intensiv besprochen worden. Da, wo wir den Eindruck hatten, da hätte es noch besser sein können als es gelaufen ist, da haben wir das auch gesagt, dass wir das bedauern, wenn es da irgendwo gehakt hat. Aber die Kommunikation ist, denke ich, vernünftig gelaufen und die Situation, das hatte ich bei anderer Gelegenheit auch gesagt, sage das aber auch gerne nochmal, ist so: Ein wesentlicher Grund dafür, warum ich hier in das Zimmer gegangen bin, ist der, dass wir die beiden Türen auflassen. Die stehen praktisch den ganzen Tag auf, im Vorzimmer, auch bei mir, sodass wirklich jeder, der ein aktuelles Problem hat, reinkommen kann – es sei denn, ich bin gerade beschäftigt, so wie jetzt, aber das ist wirklich die wesentliche Idee des Ganzen.

uni:press: Noch ein Thema, das natürlich viele beschäftigt, nicht unbedingt nur Studierende, sondern in erster Linie Leute, die an der Uni arbeiten: Sie haben davon gesprochen, dass Sie in Zukunft eine kompetitive Mittelvergabe durchführen möchten – das hängt natürlich ganz stark zusammen mit der Frage, wie man Leistung bewerten kann. Es ist ein bisschen schwierig, etwa Geisteswissenschaften und Naturwissenschaften zu vergleichen. Nach welchen Kriterien möchten Sie Leistung konkret bewerten, um darauf basierend Mittel zu verteilen?

Lehnert: Zunächst einmal ganz grundsätzlich: Die leistungsorientierte Mittelvergabe ist ja nichts Neues von mir, die steht ja auch im Entwicklungsplan des Vorgängerrektorats schon drin. Es wird dazu eine Task Force geben, die jetzt anfängt zu arbeiten und wir sind uns der Schwierigkeit natürlich bewusst.

„Im Moment sind wir primär mit der Konsolidierung von allem beschäftigt.“

In den Naturwissenschaften ist es relativ einfach, da gibt es die üblichen Leistungsparameter wie Publikationen und Drittmittel und Bewertung der Publikationen und Bewertung der Drittmittel, je nachdem, wo’s herkommt. Drittmittel sind ja nicht gleich Drittmittel, sondern sind schon unterschiedlich – ob sie jetzt von der EU oder vom FWF oder von anderen Institutionen kommen – und auch bei den Publikationen muss man das sehr genau und klug machen und kann die Zeitschriften beurteilen und sagen, das ist eine Zeitschrift mit einem sehr hohen Impact-Faktor. Man kann dann natürlich die individuellen Publikationen angucken. Wir haben ja ein Forschungserfassungssystem, das Pure, auf dem Campus, von dem ich sehr viel halte, was sehr viel auch sagt nicht nur über die individuelle Leistung, sondern auch über Vernetzung und Kooperationen, was auch ein Thema ist, was eingehen kann in die Beurteilung der Leistung. Also das ist so der Block bei den Naturwissenschaften, wo es relativ einfach ist.

KGW, Jura, Theologie – zugegebenermaßen schwieriger. Natürlich gibt es Drittmittel, da bin ich auch super froh, dass wir da auch zum Beispiel an der Theologie in einigen Bereichen sehr, sehr drittmittelstark sind und dass Anträge gestellt werden. Für die anderen gelten also sicher auch Drittmittelanträge. Publikationen sind hier deutlich schwieriger zu erheben, das sind unterschiedliche Kriterien. Bei Juristen sind es mehr Kommentare oder bei Kultur- und Gesellschaftswissenschaftlern neben Zeitungen auch Herausgabe von Büchern, das sind Veranstaltungen, das ist Präsenz in der jeweiligen Fachgesellschaft, auch Durchführen von Fachtagungen hier in Salzburg, die dem Standort sehr gut tun. Das sind Dinge, die eingehen, das sind sicher auch Lehrleistungen, die mit eingehen werden.

De drei Säulen der Leistungsbewertung sind wissenschaftlicher Output, Lehre und Transferleistungen, wobei wir unter Transferleistungen all das verstehen, was so nach außen sichtbare Aktivitäten wie Fachgesellschaften usw. darstellen. Da werden wir sicher unterschiedliche Systeme machen für die unterschiedlichen Fächerkulturen, das ist ganz klar. Ich kann Archäologie nicht mit Molekularbiologie vergleichen. Das wird eine der größten Herausforderungen sein, da ein System zu schaffen. Die andere große Herausforderung ist, die entsprechenden Mittel zu lukrieren, denn im Moment sind wir primär mit der Konsolidierung von allem beschäftigt.

„Ich hoffe, ich muss keinen Fachbereich zusperren.“

uni:press: Es ist ja mit der neuen Studienplatzfinanzierung durchaus möglich, dass die Uni Geld verliert. Wenn Sie morgen drei Fachbereiche zusperren müssten, welche wären das?

Lehnert: Och ne, da nenn‘ ich keinen. Wir gucken uns das an. Ich hoffe, ich muss keinen Fachbereich zusperren, bestimmt nicht. Wir gehen Ende des Monats noch einmal alle Studierendenzahlen in Ruhe durch. Wir haben tolle Leute hier, tolle Vertreter in den Fachbereichen, die müssen erstmal gestärkt werden, bevor ich überhaupt dran denke, dass man irgendwo rangehen muss.

uni:press: Es gibt ja auch ganz unterschiedliche Betreuungsschlüssel. Da gibt es Fachbereiche, wo auf eine Professur 15 prüfungsaktive Studierende kommen bis zu Fachbereichen, wo die Zahl vermutlich auf zwei-, dreihundert steigt, da werden vielleicht trotzdem irgendwann Leute entlassen werden müssen.

Lehnert: Also klar ist, dass wir uns diese Zahlen wirklich sehr, sehr, sehr genau angucken. Klar ist auch, dass die Universität im Moment sparen muss. Das ist leider so. Das ist wirklich für uns das allerletzte Mittel, zu dem es hoffentlich nicht kommt, dass wir Leute entlassen. Es ist viel sinnvoller zu gucken, wo haben wir Dopplungen und deswegen erarbeiten wir gerade den Organisationsplan mit dem Ziel, dass wir Dopplungen vermeiden und dass wir gucken, wo man in den Serviceeinrichtungen klug zusammenlegen kann, oder wo haben wir auch Studienrichtungen, die sich doppeln – die haben wir zum Teil. Da wird man gucken.

Außerdem haben wir Arbeitsschutz und arbeitsrechtliche Grundlagen, was die Verträge angeht, sodass eine Entlassung definitiv jetzt kein Thema ist. Wir gucken uns die Zahlen an in den Studiengängen an. Bevor man etwas schließt, überlegt man lieber, wo kann man klug zusammenlegen, wo kann man Crossover-Studiengänge machen, aber das ist eine Frage, da können wir gerne in vier Monaten darüber sprechen. Im Moment sind wir dabei, die ganzen Zahlen zu sichten.

„Das ist wirklich für uns das allerletzte Mittel, zu dem es hoffentlich nicht kommt, dass wir Leute entlassen.“

uni:press: Ihr Wunsch ist ja ein höherer Anteil an Drittmitteln. Die Rede war da von einer Erhöhung auf 50 Cent Drittmittel pro Euro Globalbudget, was eine Verdoppelung ist. Wie wollen Sie diese Steigerung erreichen?

Lehnert: Das ist eine der entscheidenden Aufgaben vom Rektorat, dass wir jetzt gucken, wo haben wir wirklich unsere Stärken, wo können Anträge bei der EU, beim FWF, sonst wo eingereicht werden. Da führen wir im Moment viele Einzelgespräche, um zu gucken, wer welchen Antrag wo stellen kann. Wir schicken einiges gerade auf den Weg, vor allem internationale Projektanträge, neue ERC-Anträge sind gerade gestellt worden, wir gucken dezidiert und sind da auch im Gespräch mit Kollegen, die an anderen Universitäten einen solchen prestigereichen Grant der Europäischen Union eingeworben haben, um die hier hin zu holen. Das ist ein ganzes Maßnahmenpaket, was wir da haben. Wir arbeiten intensiv mit dem Land zusammen, auch über Landesprojekte und Landesförderungen, was am Ende des Tages auch Drittmittel sind, und setzen natürlich gemeinsam mit dem FWF extrem darauf, dass die Exzellenzinitiative kommt, um dann uns auch mit einem, idealerweise zwei Exzellenzclustern zu bewerben.

uni:press: Gerade beim FWF ist die Bewilligungsquote sehr gering, ungefähr bei 20 Prozent. Stellen Sie sich das nicht ein bisschen zu einfach vor, dass Sie so Mittel lukrieren?

Lehnert: Das ist immer eine Frage, wen man auf die Reise schickt mit einem Antrag. Ich habe da selber ja wirklich intensivste Erfahrung und es ist sicher zum Teil so, dass die Ablehnungsquote hoch ist. Es sind auch exzellente Anträge, die abgelehnt werden, aber das hilft alles nix, das muss man versuchen und dafür bieten wir hier an, dass wir mit auf die Anträge gucken und sagen, so, das ist erfolgversprechend, das schicken wir los und den schicken wir lieber gar nicht los oder woanders hin.

uni:press: Welche Anreize können Sie da schaffen, dass mehr Aufwand getrieben wird seitens der Wissenschaftler?

Lehnert: Ja ein Anreiz ist neben der Reputation – ich meine, das ist das ja die Top-Reputation – dass wir, sowie wir mit dem System der leistungsorientierten Mittelvergabe starten können, dass wir dann natürlich auch die belohnen, die solch einen Antrag bekommen haben. Das sind die üblichen Anreize, die wir haben.

„Das tut uns wirklich an der Seele weh, wenn wir sehen, das sind Super-Anträge, die gestellt werden und die sind dann nicht erfolgreich.“

uni:press: Das ist ein wichtiges Stichwort: übliche Anreize. Viele der Dinge, die Sie jetzt genannt haben, sind ja auch unter Ihrem Vorgänger logischerweise angeregt worden und Sie haben es ja selber gesagt, es werden exzellente Anträge abgelehnt. Wäre es langfristig, aus einer strategischen Position nicht vielleicht entscheidender, den Fokus nicht unbedingt auf mehr Drittmittel einzuwerben, sondern dafür zu sorgen, dass sich der Staat endlich dazu bekennt, vergangene Beschlüsse, diese berüchtigten zwei Prozent des BIP umzusetzen, dass man darauf pocht, die öffentliche Finanzierung auszubauen?

Lehnert: Ja, absolut. Da setzen wir uns im Rahmen der uniko maximal dafür ein. In Österreich muss man mehr gerade auch in die Grundlagenforschung – und dafür sind die Universitäten auch da – investieren, das ist eine ganz wichtige Aufgabe, eine politische Aufgabe, die wir maximal verfolgen, das ist völlig klar, denn das tut uns wirklich an der Seele weh, wenn wir sehen, das sind Super-Anträge, die gestellt werden und die sind dann nicht erfolgreich. Aber das ist eine politische Aufgabe.

uni:press: Sie haben angekündigt, dass Sie die Fakultäten stärken wollen – in welcher Hinsicht und warum?

Lehnert: Damit meine ich, dass die bestehende Fakultätsstruktur gestärkt wird, gerade auch, dass die Dekane mehr eingebunden werden. Das bedeutet, dass die Dekane mehr als bisher für die Konzeption, für die wissenschaftliche Entwicklung, für die Struktur der Fachbereiche verantwortlich sind. Die Dekane sitzen auch mit bei uns bei der Rektoratssitzung, sodass also da auch ein viel besserer Fluss an Informationen zwischen Fakultäten und Rektorat zustande kommt, dass damit die Unmittelbarkeit gegeben ist. Es war ja früher so, dass im Rektorat jemand verantwortlich war für eine Fakultät. Dieses System haben wir jetzt so nicht mehr. Jetzt ist das eine Runde, in der die Dekane mit dem Rektorat zusammensitzen, wo dann über die jeweiligen Fakultäten und die Fachbereichsstruktur gesprochen wird. Das heißt, die Stärkung der Fakultäten geschieht über die intensivere, engere Einbindung der Dekane, auch durch Abstimmung mit den Fachbereichsleitungen, was Berufungsverhandlungen und Zielvereinbarungen usw. angeht. Die Stärkung der Fakultäten bedeutet wirklich unmittelbarerer, raschere Diskussion und Informationsaustausch über die Dekansebene, die sicher ein Stück weit aufgewertet wird.

uni:press: Das bedeutet auch, dass eine zusätzliche Hierarchieebene zwischen den Fachbereichen und dem Rektorat geschaffen wird – ist das sinnvoll?

Lehnert: Das ist insofern sinnvoll: Fachbereiche sind grundsätzlich ein Stück weit schnelllebiger als Fakultäten. Wir planen jetzt hier keine Fachbereichsrevolution, aber Fachbereiche können sich in der Zusammensetzung eher ändern als Fakultäten, insofern ist das, was Sie Hierarchieebene nennen, sinnvoll, weil es den viel besseren Austausch garantiert. Die Fachbereichsleitungen, das habe ich auch immer gesagt, die bleiben weiter mit ihrem Aufgabenpaket, das sie jetzt haben, genau unverändert, die bleiben stark und dafür gibt es den Fachbereichsrat, dafür gibt es die Vorschläge, wie Stellen zu besetzen sind, dafür gibt es die Zielvereinbarungen, dazu gibt es die Curricula in den Fachbereichen, die dort entwickelt werden.

„Mein Lieblings-Fürsterzbischof ist natürlich Paris Lodron. Das ist ganz klar.“

Die zusätzliche Ebene hat den großen Vorteil, dass eine Person da ist, die die ganze Fakultät und damit die ganzen Fachbereiche der Fakultät im Auge hat und viel besser als bisher sagen kann, so, da haben wir Synergien zwischen Fachbereich A und B, da lasst uns mal nachdenken, ob man langfristig was verändern kann. Selbst wenn man zu dem Schluss kommt, es wird dann nichts verändert, ist das eine wichtige Information, die über den Dekan, dessen Aufgabe es ist, die gesamte Fakultät im Blick zu haben, transportiert werden kann. Insofern ist das eine Delegation von Aufgaben aus dem Rektorat hin in die Dekansebene, aber ohne, dass aus meiner Sicht irgendeine dramatische Hierarchie neu eingezogen wird, sondern dadurch, dass wir die definierten Gesprächsebenen und Diskussionsebenen haben: Dekane hier im Rektorat und dann Fakultätsrat und Fachbereichsrat, was ja alles bleibt. Das ist ein viel, viel besserer Informationsfluss, den wir als Rektorat auch einfach brauchen. Also bisher muss ich sagen, ist auch mein persönlicher Eindruck, dass das gut funktioniert und gut ankommt.

uni:press: Abschlussfrage: Über Ihnen thront ja mit der Festung sozusagen das Herrschaftssysmbol der Fürsterzbischöfe – die prägen Salzburg, wie man schon am Universitätsnamen feststellen kann. Haben Sie schon einen Lieblings-Fürsterzbischof?

Lehnert: Ja, meiner ist natürlich Paris Lodron. Das ist ganz klar.

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